Experimente mit Geiger-Müller Zählrohren (SI-39G und SBM20)

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Aus russischen Altbeständen sind günstig fabrikneue Zählrohre erhältlich. Ich habe meines für rund 15 Euro bei Pollin gekauft. Ein neues Zählrohr kostet typischerweise um die 100 Euro.

Mein SI-39G stammt laut Packungsaufdruck von 1990. Später kam noch ein SBM20 sowie ein 70014NR (V-AZ-114NR) aus Ex-DDR-Beständen hinzu.

Das SI-39G

handschriftliche Nummer …

Verpackung im 40ger Jahre Look…

Das SBM20, russische Produktion

Das 70014NR, vermutlich DDR Produktion

Theory of operation

Siehe hierzu http://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%A4hlrohr#Geiger-M.C3.BCller-Z.C3.A4hlrohr . In Kürze:

Das Zählrohr ist mit einem Gas gefüllt und besitzt eine Anode und eine Kathode, die beiden Enden des Zählrohrs. An das Zählrohr muss eine ziemlich hohe Gleichspannung angelegt werden. Trifft ein Strahlungsteilchen nun in die Gasfüllung, wird ein Elektron freigesetzt, das wegen der angelegten hohen Spannung Richtung Anode wandert. Effekt: Ein Strom fließt. Diesen Vorgang nennt man “Ionisation”.

Bei hohen Spannungen, die bei Geiger Müller Zählrohren verwendet werden (~ 400Volt), werden viele Elektronen gleichzeitig ausgelöst. Das Geiger Müller Zählrohr ist also sehr empfindlich. Der Stromfluss ist stark und kann mit einfachsten Mitteln weiterverarbeitet werden (z.B. hörbar gemacht werden).

Beschaltung

Die Beschaltung eines Zählrohrs ist erstaunlich simpel. An das Zählrohr werden einige Hundert Volt angelegt (+ An Anode, - an Kathode). Um zu hohe Ströme im Zählrohr zu vermeiden, wird ein Widerstand von rund 100KOhm in Serie geschaltet. Am Zählrohr wird über einen Spannungsteiler mit sehr hohen Widerständen von einigen Megaohm das Signal abgegriffen.

Experimentelle Beschaltungen finden sich zahlreich im Web. Alle Schaltungen teilen sich in zwei Bereiche auf:

  • Hochspannungserzeugung
  • Impulsauswertung

Impulsauswertung: Hier habe ich auf die Schnelle keine Schaltungen gefunden, die ein schönes lautes Knacken in einem Lautsprecher zustande brachten. Daher habe ich eine minimale Schaltung mit einem Operationsverstärker in Komparatorschaltung aufgebaut. Als OpAmp kann ein Standardtyp genommen werden, ich habe den NE5534 verwendet. (Quelle & weitere Infos Komparatorschaltung: z.B. das hervorragende Buch: Jochen Federau, Operationsverstärker, Vieweg).

Dies ist eine Standardbeschaltung eines OpAmps als Komparator (“ohne Hysterese”). Hinzugenommen wurde nur der Eingangsspannungsteiler (2x10M), das Zählrohr und der kleine Lautsprecher. Funktionsweise: Die grüne LED leuchtet, solange kein Impuls erkannt wird, die rote LED blitzt bei einem erkannten Impuls kurz auf.

Das Zählrohr ist mit der Kathode (-) an einen Spannungsteiler mit zwei 10M-Widerständen angeschlossen. Die Anode (+) liegt an 400V (genaueres dazu weiter unten). Messungen am Spannungsteiler zeigt ein Störsignal von -40mV..+500mV (Netzbrumm). Eine Ionisierung erzeugt einen steilen Impuls von etwa 3,4ms Länge und einer Amplitude von 1200mV.

So sieht ein Impuls des Zählrohrs am Oszilloskop aus. Der Netzbrumm hat eine Amplitude von etwa 500mV, aus dem sich der Impuls mit einem Maximum von 1200mV heraushebt.

Der Komparator muss also auf eine Spannung zwischen 500 und 1200 mV ansprechen. Die Schaltung soll mit +5V versorgt werden. Die Referenzspannung wird durch zwei Widerstände am –Eingang des OpAmps festgelegt. Mit den Werten 47K und 10K ergibt sich rechnerisch eine Referenzspannung von 10K/(10K+47K)*5V = 877mV. Die Widerstände haben eine Bauteilstreuung, nach Aufbau messe ich am –Eingang 873mV, dies ist ok.

Das Zählrohr erzeugt ohne Strahlungsquelle in der Nähe 5-10 Impulse (SI-39G) bzw. 16-31 Impulse (SBM20).

Hochspannungserzeugung

Hierzu finden sich zahlreiche Schaltungen im Internet. Man muss nicht immer alles selbst erfinden, und so habe ich nur eine fertige Schaltung gesucht, die simple Standardbauteile verwendet und mit einer einfachen Induktivität (statt eines Transformators) auskommt. Außerdem sollte der Stromverbrauch gering sein, um einen Batteriebetrieb des Gesamtgeräts möglich zu machen.

Bei http://www.loetstelle.net/projekte2/lphv/lphv.php wurde ich fündig. Die dort beschriebene Schaltung ist simpel, nutzt eine kleine 10mH-Induktivität aus und verbraucht im Leerlauf weniger als 1mA. Aktive Bauteile sind ein 7555 (CMOS-Variante des 555), ein MOSFET BS170 und ein Hochvolt-Transistor MPSA42. Der 7555 erzeugt eine Ausgangsfrequenz von etwas über 10Khz, die über den MPSA42 die Induktivität ansteuert. Dabei entstehen an der Spule Spannungsspitzen von über 100 Volt, die über eine Diodenkaskade vervierfacht wird, so dass am Ausgang ziemlich genau 400 Volt bereitstehen

Die Ausgangsspannung kann nur mit einigen Mikroampere belastet werden. Ein Messversuch mit einem Multimeter mit 10 Megaohm schlug bei mir fehl, erst bei Messung mit einem 75Megaohm-HV-Tastkopf konnte ich die Ausgangsspannung messen: mit Fluke 27 und Hochspannungstastkopf: 398 Volt.

Also noch mal zur Klarstellungen: Die verwendete Schaltung zur Hochspannungserzeugung ist von loetstelle.de und dort unter http://www.loetstelle.net/projekte2/lphv/lphv.php detailliert beschrieben. Der ganze Ruhm für diese nette Schaltung geht also an loetstelle.de.

Schaltplan mit Hochspannungserzeugung (oben) und Impulsauswertung (unten). (Für das Zählrohr wurde in Eagle kein Symbol gefunden).

Irgendwo im Internet habe ich auch gelesen, dass für das SBM20 die Stromspitze während einer Ionisation (bei 400V) bei 60µA liegt. Die Spannungsquelle sollte diesen Wert für die Dauer einer Ionisation also ohne Zusammenbruch abgeben können.

Bestückung der Platine. Für das Zählrohr wurden ursprünglich vorgesehen, seine Kontakte in Sicherungshaltern zu fixieren. Im umgesetzten Exemplar wurden keine Sicherungshalter verwendet, diese sind aber im Platinenentwurf noch enthalten und können ignoriert werden. Wichtiger Hinweis zur Bestückung: Der BS170 ist in der Eagle Bauteilebibliothek (bis mindestens Version 6.2.0) nicht korrekt enthalten, Drain und Source Anschlüsse sind vertauscht. Daher muss der Transistor BS170 nicht wie hier dargestellt, sondern um 180 Grad gedreht eingelötet werden!

In obiger Platine sind die folgenden Anschlüsse vorhanden:

Connector X1 - Power

Hier werden + und - der Stromversorgung/Batterie angeschlossen.

Pin Bedeutung
1 + 5 Volt
2 GND

Connector X4 - Ausgang für Microcontroller

GND und Signalausgang. Zu verbinden mit GND des Mikrocontrollers und einem als Eingang beschalteten Pin des Mikrocontrollers.

Pin Bedeutung
1 Signal Ausgang
2 GND

Connectors F1/F2: Zählrohranschlüße

Hier wird das Zählrohr angeschlossen.

Pin Bedeutung
F1 Anode/+ des Zählrohrs
F2 Kathode/- des Zählrohrs

Das bestückte Board mit Hochspannungsversorgung ( oben) und Signalauswertung (unten links). Ein kleiner Lautsprecher ist an den Signalausgang angeschlossen.

Auswertung der Zählimpulse mittels AVR Mikrocontroller

Ein Mikrocontroller wird eingesetzt, um die Impulse zu zählen und in einer nutzbaren Form darzustellen, zum Beispiel Impulse/Minute oder gar Milli-Sievert oder Mikro-Sievert. Die ganze Schaltung soll in einen vorhandenen Environmental Datalogger integriert werden, so dass auch die Strahlenbelastung durch dem Datalogger mitaufgezeichnet wird.

Der Mikrocontroller hat also die folgenden Aufgaben:

  • Uhrenfunktion, um Sekunden und Minuten als Zeitintervalle präzise bestimmen zu können (Verwendung eines Quarzes, Timerfunktion des AVR)
  • Zählen der Impule (Nutzung der externen Triggermöglichkeit eines AVR-Timers) und Umrechnung in einen Sieverts-Wert.
  • Berechung Impulse/Minute, Berechnung Strahlendosis in Sievert nach Formel
  • Option: Um Strom zu sparen, wird die ganze Zählschaltung (HV-Versorgung, Impulsauswertung) nur eingeschaltet, wenn auch gezählt werden soll, also zum Beispiel für 1 Minute alle 10 Minuten)

Die Umrechnung der Impulse pro Zeiteinheit in Sievert (Nano-Sievert) kann anhand der Kenndaten des Zählrohrs vorgenommen werden. Für alle von mir betrachteten Zählrohre können diese Werte, wenn auch mühsam, aus diversen Foren gewonnen werden.

Beim Anschluss des Zählrohrs (genommen habe ich das SBM20) an den Datenlogger wurden noch ein paar Kleinigkeiten angepasst, die hier nicht zu sehen sind

  • Der Datenlogger läuft mit 3,3Volt aus einer Solarzelle gespeist. Dies ist für die Zählrohransteuerung zu wenig. Daher wurde auf der Platine noch eine 5V Spannungsreglung mit 78L05 “manuell integriert”
  • Spannungsteiler am Ausgang um den 3,3V Pegel des Datenloggers zu treffen
  • Entfernen der LEDs und des Speakers zum Stromsparen
  • Ablöten der oben noch sichtbaren Sicherungshalter und Bau eines Zählrohrhalters mit Isolation

Der Komparator erzeugt aus dem Zählrohr Impuls keinen einzelnen Rechteck Impuls.

Ausgangssignals des Komparators für einen Zählrohrimpuls. Es finden sich direkt nach dem eigentlichen Signal noch mehrere sehr kurze Signale

Um den Impuls nur 1x zu zählen, wurde daher eine Totzeit von 2ms eingebaut. Alle Impulse innerhalb dieses Zeitraums nach einer positiven Signalflanke werden als ein Impuls gezählt. Damit kann ich zwar nicht mehr als 1000/4=250 Impulse/s zählen, aber dieser Wert wird in meiner Umgebung hoffentlich nie erreicht.

Strahlungsquellen zum Testen

Um das Zählrohr auszuprobieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Armband- oder Taschenuhren mit Leuchtziffern aus radioaktiven Leuchtfarben siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Leuchtfarbe:

    • Alte Armband- oder Taschenuhren mit Leuchtziffern. Die Leuchtziffern wurden früher mit radioaktiven Farben gezeichnet (Radium).

    • Neue Uhren mit Leuchtziffern mit Leuchtfarbe auf Tritium-/Promethiumbasis

  • Alte Glühstrümpfe für Gaslampen (Thorium) (http://de.wikipedia.org/wiki/Gl%C3%BChstrumpf)

  • Tritium-Lämpchen (“Glowrings”) erhältlich z.B. via ebay

  • Angeblich auch: Sensoren von elektrischen Rauchmeldern (?)

Weiterführende Informationen

Allgemeine Infos zu Zählrohren und Schaltungen: